Geschichtsverbund Thüringen
Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Neue Ausgabe der Zeitschrift „Gerbergasse 18“ mit Schwerpunkt HEIMAT und FREMDE erschienen

Das Verhältnis zwischen Heimat und Fremde umfasst oft schmerzhafte Erlebnisse. Eine Facette des Titelthemas dokumentiert das Coverfoto der neuen Ausgabe „Gerbergasse 18“ von Volker Döring. Der Ort Eythra, südlich von Leipzig, musste in den 1980er Jahren dem Braunkohletagebau weichen, so wie schon mehrere Dörfer zuvor. Der Fotograf erinnert sich an die Entstehung des Fotos 1986 auf dem überbaggerten Friedhof von Eythra: „Ich war im Eigenauftrag dort. Ein Freund, der aus dieser Gegend stammt, hatte mich auf die Situation aufmerksam gemacht. Anschließend wurden die Bilder in einer kleinen Ausstellung im Kreiskulturhaus in Treptow gezeigt in Zusammenhang mit der Vorführung des DEFA-Dokumentarfilmes ‚Erinnerung an eine Landschaft‘ von Kurt Tetzlaff. Ich fand die Zerstörung der Dörfer und der Umwelt damals bestürzend, aber wohl notwendig wegen der Braunkohlenabhängigkeit der DDR. Das entsprach wahrscheinlich der Haltung der meisten Leute. Dennoch waren derart kritische Fotoaufnahmen nicht gern gesehen, das fand in der DDR-Presse nicht statt. Eines der damals entstandenen Bilder wurde in einer Westzeitung veröffentlicht, auf Vermittlung von Harald Hauswald. Andererseits wurde eine Serie davon beim DDR-weiten Wettbewerb ‚Akt und Landschaft‘ gewürdigt. Es war eben damals in der DDR vieles ambivalent.“

Ambivalenz durchzieht auch die Beiträge im Themenschwerpunkt: die Zerrissenheit zwischen zwei Heimaten, quälende Fragen nach dem Weggehen oder dem Hierbleiben, das lebenslange Vermissen einer verlorenen Heimat und das komplizierte Ankommen in der Fremde, das Porträt der Dichterin Helga M. Novak, die ihrem ersten Gedichtband den Titel „ostdeutsch“ gab und deren Biografie sich zwischen Ost, West und Island bewegte. Flucht und Vertreibung führen weltweit zu Heimatverlusten. Doch wer definiert, für wen ein Ort oder Land neue Heimat sein darf? Und was passiert, wenn Heimatliebe in Fremdenhass umschlägt? Wann erreichen wir einen Zustand, in dem Herkunft weder Verdienst noch Makel ist?

Wie Kaufleute mit Kommunisten Geschäfte machten, das ist Thema eines ausführlichen Beitrags über die kommerziellen Verbindungen des Volkswagen-Konzerns mit der DDR-Führung in den 1980er Jahren. Unter dem Titel „Mein Leben in Bildern“ werden Biografie und Werk des Arbeiterfotografen Franz Kräft dargestellt. In weiteren Artikeln geht es um ein Online-Erinnerungsportal für zu Unrecht Verurteilte der sowjetischen Militärtribunale sowie ein Ausstellungsprojekt zur unabhängigen Frauenbewegung in der DDR. Abgerundet wird die neue Ausgabe mit drei Buchbesprechungen, unter anderem zur deutsch-deutschen Fußballgeschichte und dem sowjetischen Geheimdienstterror.

Die aktuelle Ausgabe der „Gerbergasse 18“ (Heft 111) ist im lokalen Buchhandel oder direkt über die Geschichtswerkstatt Jena erhältlich.